B-LOG

B-LOG - Barbara's Worte

B – LOG          Barbara’s Worte

-LOG kommt vom grieschischen Wort „logos“ = das Wort, Sagen, Sprechen, Gespräch, die Rede, Nachricht, Erzählung, Darlegung, Beschreibung. Das Wort Blog ist die Abkürzung von Weblog, eine Zusammensetzung aus den beiden englischen Wörtern web, für Netz, und log, für Logbuch bzw. Tagebuch.

 

Das Frühstück

Zeit zum Erwachen                                                                                                                                        Februar 2022

Es war einmal ein Mann, dessen Frühstück aus vier dunklen Brotscheiben bestand, die er mit Marmelade bestrich. Dazu trank er ein Glas Orangensaft und eine grosse Tasse schwarzen Kaffee. Eines Tages befand sich dieser Mann auf einer Reise, die für ihn organisiert worden war. Und so kam es, dass er in einem gediegenen Hotel mit exquisiter Aussicht auf majestätische Berge, an denen mysteriöse Gletscher klebten, übernachtete. Noch nie hatte er solches gesehen, denn wo er herkam, sah es ganz anders aus.

Zum Frühstück bot das Hotel ein einladendes Buffet an. Verschiedene Brotsorten, Croissants, Brötchen, Knäckebrote und auch Butterzopf, weil es Sonntagmorgen war, waren schön hergerichtet, dazu mehrere hausgemachte Marmeladen und zwei verschiedene Honigsorten. Auch ein Nussschokoladenaufstrich fehlte nicht. Es gab regionale, schweizerische und französische Käsesorten, frische Butter und Margarine, Bündnerfleisch, Schinken, Speck, Aufschnitt, Gurken, Tomaten, Peperoni, Oliven und Salatblätter. Auch Eier konnte in verschiedener Form bestellt werden als gekochtes Ei, Rührei, Omelett oder Spiegelei. Daneben lag eine Auswahl an Joghurts, ein Haus-Fruchtmüsli, mit oder ohne Rahm, verschiedene Flocken, Nüsse, Samen und getrocknete Früchte. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein Tisch mit einer Auswahl an Süssigkeiten gedeckt: Schokoladenkuchen, Marmorkuchen, Nussschnitten, verschiedenes Gebäck, Kekse, Pralinen und Früchte: es sah aus, als wäre es ein Dessertbuffet. In der Ecke standen mehrere Krüge mit Fruchtsäften, Wasser, Milch und sogar eine Sektflasche bereit, daneben eine Kaffeemaschine, an der man sich à discretion bedienen konnte und eine grosse Teesammlung.

Es war einer dieser Sonntagmorgen, der schöner nicht sein konnte: ein strahlender Tag mit wolkenlosem, blauem Himmel und glitzerndem Schnee, der nichts, wirklich nichts zu wünschen übrig liess. Der Mann ging hin, nahm sich vier dunkle Brotscheiben, die dem Brot, das er zu Hause ass, am meisten glichen, wählte eine Marmelade aus, goss sich Orangensaft in ein Glas, legte alles auf seinen Platz am gedeckten Frühstückstisch und holte mit der Tasse noch den schwarzen Kaffee. Das war sein Frühstück. Nicht mehr, nicht weniger.

Nun könnten wir sagen, dass es den Hotelbesitzer vielleicht freut, einen so genügsamen Gast zu haben, der die kostspieligeren Beilagen des Frühstücks ignoriert. Ja, die Genügsamkeit dieses Gastes könnte beeindrucken.

In Zeiten von Vegetariern und Veganer könnte die bescheidene Auswahl dieses Gastes naheliegend damit erklärt werden, dass er Veganer sei, aber dem ist leider nicht so. Im Gegenteil, dieser Mann liebte es – es war sogar sein liebstes Hobby – zu seiner Freude Tiere zu jagen und für den eigenen Verzehr zu töten. Fehlinterpretationen sind blitzschnell und bereits da, bevor die Erzählung aller Umstände und Tatsachen gehört wurde. Ein einziges Detail genügt, manchmal nur ein einziges Wort, um die Schublade zu öffnen und die Person, ein Ereignis, eine Situation oder einen Text darin einzuordnen und zu verstauen, wo sie dann bleiben. Wie wäre es dagegen, eine Haltung des Nichtwissens einzunehmen? Das heisst: eine Haltung des alles Hinterfragens? Mit Offenheit sich zuerst alle verfügbaren Fakten anzuhören, Fragen zu stellen, verschiedene Perspektiven einzunehmen und zu vergegenwärtigen, aus der sich eine vorsichtige, provisorische Hypothese ergibt, die sich ändern kann und ständig entsprechend den neuen Erkenntnissen angepasst wird?

War es vielleicht so, dass er sich dachte: „Mach es wie gewohnt, wie zu Hause“, egal, wo er sich gerade auf der Welt befand? Oder nach dem Motto: „So einfach wie möglich, nur nicht kompliziert“? Jede Änderung seiner Gewohnheit wäre für ihn ein unnötiger Energieaufwand: hinzuschauen, sich verschiedenen Dinge anzusehen und dann erst noch auswählen zu müssen: welche Mühe! Etwas Neues auszuprobieren könnte allzu anstrengend oder ein zu grosses Risiko sein. Warum etwas anderes essen, wenn er mit den vier Brotscheiben schon immer zufrieden gewesen war und auch heute damit zufrieden sein konnte? Oder war er einfach so verschlafen, dass er gewohnheitsmässig funktionierte, ohne wirklich wahrzunehmen, welche Leckereien ihm angeboten wurde? Und wenn er tatsächlich so verschlafen war, dann bedeutet dies, dass ihm nicht bewusst war, dass er „schlafwandelte“, denn er konnte auch „schlafwandelnd“ auf das Gewohnte zugreifen.

Wie wäre es, diese kleine Szene als Metapher dafür zu nehmen, wie Menschen ihr Leben verbringen? Könnte es sein, dass Menschen meistens nur das sehen und auswählen, was sie gewohnt sind? Viele schauen oder lesen die News, die Filme und die Bücher, die sie „kennen und gern haben“, verständlicherweise, was eben das Gewohnte ist. Und sie interpretieren diese News, Artikel, Bücher, Filme und genauso auch Menschen, Situationen und Ereignisse, wie sie diese interpretieren wollen, nämlich so, wie sie es gewohnt sind: nach genau denselben Kategorien, die sie gewohnheitsmässig benutzen. Und: Sie interpretieren auch sich selbst so, wie sie es schon immer oder seit langer Zeit tun.

Wir wählen meistens das aus, was im Rahmen unserer Gewohnheiten liegt. Wir tun, was wir gewohnt sind zu tun. Und wir denken auch, was wir gewohnt sind zu denken. Und dann sagen wir, was wir gewohnt sind zu sagen. Auch fühlen wir immer wieder, was wir gewohnt sind zu fühlen. Und wir wiederholen dies sogar dann, wenn das Ergebnis nicht sonderlich schmeckt. Menschen wiederholen dies auch dann, wenn es die Gewohnheiten sind, die ihnen nicht gut tun. Aber viele akzeptieren dies, weil sie denken, dass es keine Alternative gäbe. Oder dass diese für sie nicht möglich oder zu anstrengend sei. Und sie denken genau dies, weil es wiederum das ist, was sie gewohnt sind zu denken, und so drehen sie sich im Kreis.

Menschen tun dies auch dann, wenn die Situation, das Ereignis, der Text oder die Person ihre Interpretation nicht zulässt und de facto etwas ganz anderes ist und bedeutet. Wenn sie gewohnt sind, die Welt oder sich selbst aufgrund von gewissen Stichworten oder „Schubladen“, die sie übernommen oder sich geschaffen haben, zu lesen und zu interpretieren, dann werden sie genau diese wiederfinden. Sie werden innerhalb der Begrenzungen ihrer Vorstellungskraft und dessen, was sie sehen wollen, genau dies in der Situation, im Text, in der Person und in der Welt finden, so wie der Hammer nur eines kennt: den Nagel. Und sie werden auch dort Nägel sehen, wo es keine hat und anderswo eine Oase entdecken, die sich als Fata Morgana oder sogar als Abgrund entpuppt. Falschinterpretationen können an den sprichwörtlichen „Haaren herbeigezogen“ werden, damit die Dinge nach dem bekannten, gewohnheitsmässigen oder gewollten Interpretationsmuster, dem unbewussten oder bewussten Glaubenssatz, innerhalb des abgesteckten Rahmens gedeutet werden können. Was nicht irgendwie in den Rahmen gepasst werden kann, wird kritisiert und verurteilt. Und als wäre dies nicht schon genügend verwirrend, weil Menschen dies unbewusst tun, gibt es dazu noch überall welche, ob nah oder fern, die es für uns besser zu wissen meinen und uns sagen, was wir zu glauben, denken, fühlen und zu sehen hätten, mithilfe von Institutionen oder auch ohne. Ihnen entsprechen all jene, die genau dies wollen. Sie erwarten, dass man ihnen sagt, was sie zu glauben, denken, fühlen und zu sehen haben. All dies ist etwas Urmenschliches. Es gehört zum Stoff, aus dem das – Jahrtausende währende – Welttheater gewoben ist, als Tragödie und Komödie.

Nun ist es wohl eine Tatsache, dass wir in jeglicher Hinsicht Gewohnheitstiere sind, was auch sein Gutes hat und ein Glück ist. Gewohnheiten sind wichtig und nützlich: müssten wir jeden Tag alles und uns selbst völlig neu erfinden und wählen, wie und was wir essen, wie und wohin wir gehen, wie und wo wir sitzen, wie und was wir tun und lassen, was wir denken, glauben, sagen, fühlen, was wir mögen und was nicht, wie wir heissen, welchen Beruf wir ausüben und mit wem wir verheiratet sind: es wäre schlicht unmöglich und zerschleissend. Es hat seinen Grund, warum Menschen, die sich einem ganz bestimmten Lebensziel verschrieben haben, einen ziemlich routinierten Tagesablauf befolgen. Sie tun dies, um all ihre Energie für das einzusetzen, was ihnen wirklich wichtig ist, und sei es das Ziel, bewusst und vorurteilslos wahrzunehmen und zu leben.

Doch wie wäre es, uns vorzustellen, dass unser Leben uns in genau diesem Moment Neues, Schönes, vielleicht sogar Wertvolleres, ja viel mehr Möglichkeiten bietet, als wir glauben? Und noch mehr: dass genau diese direkt vor unseren Füssen, oder noch näher: vor unserer Nase liegen, wie die übersehenen, leckeren Kuchenstücke auf dem Frühstücksbuffet? Dass das, warum wir auch und überhaupt auf einer Reise sind, einer Lebensreise nämlich, bereits da ist, vor unseren Augen, nur dass wir es blindlings übersehen, wie dieser Mann mit den vier Brotscheiben? Wenn dem so wäre, was würde es brauchen, um dieses Andere, Neue, diese Möglichkeiten zu sehen?

Es scheint offensichtlich zu sein, nicht wahr? Es bräuchte nur eines: die Augen zu öffnen. Wir könnten dann mit einem wirklichen Interesse, einer tieferen Offenheit und wahrhaftigeren Sehnsucht sehen und erleben, dass es neben den Gewohnheiten noch neue, andere Angebote und Möglichkeiten gibt, die wir geflissentlich übersehen. Die Welt bereist zu haben, täglich fernzusehen, online zu surfen und zu lesen, mit der Überzeugung, wirklich viel zu kennen und zu verstehen, sind damit nicht gemeint. Wenn es darum geht, auch auf einer Reise das gewohnte Menü, dieselbe Wurst, denselben Käse, und sei es im übertragenen Sinn, zu erhalten, dann ist es egal, ob Wurst, Käse oder vier Brotscheiben.

Die Augen öffnen. So einfach könnte es sein. Und dadurch wäre auch die Möglichkeit gegeben, aus dem Kreis hinauszutreten. Anders gesagt: für den Fall, dass wir mehr entdecken und sehen möchten als die gewohnten „vier Brotscheiben“, bräuchte es zuerst dies: aufzuwachen. Und wenn wir aufwachen, würden wir gewahr, dass wir eine neue Reise begonnen haben – die des Erwachens.

Willkommen!      

am 24. Februar publiziert im online-Magazin Rubikon
https://www.rubikon.news/artikel/das-fruhstuck

                                                                                                                                               

VOR-sätze - Ihre Wünsche und Träume

Lassen Sie Ihre Vorsätze, Wünsche und Träume im neuen Jahr wahr werden!                              Dezember 2022

Wie es das Wort sagt: Ein Vorsatz ist ein Vor-satz, ein Satz, der voran steht, zuoberst, zuvorderst, oberste Priorität hat. Und nun ist es wieder soweit: aus Anlass des Jahreswechsels haben vielleicht auch Sie Vorsätze, was Sie im neuen Jahr anders machen werden.

Vornehmen, heisst eben: Vor-nehmen. Ich nehme dieses vor allem anderen. Ich nehme es voran, zuvorderst, als oberste Priorität, im Alltag, auf meiner to-do-list. Ich nehme es mir täglich vor, jeden Tag. Ich denke daran beim Aufstehen und auch während des Tages. Ich setze alles daran, diesen Vorsatz umzusetzen. Alles heisst: ich bin vollkommen diesem meinem Vorsatz, Wunsch und Traum verpflichtet. Dazu gehört auch das Loslassen.

Allzu oft scheitern diese Vorsätze, wenn nicht nach ein paar Tagen, dann nach ein paar Wochen, oder spätestens bei der ersten „Versuchung“: dem Moment, wo wir sozusagen „auf die Probe gestellt werden“, wie ernst wir es wirklich mit unserem Vorsatz meinen. In einer Situation, wo wir schwach werden können, weil wir uns einreden, unseren Vorsatz mit „guten“ Gründen jetzt gerade nicht einzuhalten. Und bald schon sind wir wieder im alten „Fahrwasser“. Wir kennen es alle!

Vorsätze, Wünsche und Träume umzusetzen braucht mehr als nur den Gedanken: „ich könnte dies ändern“. Oder die Idee: „es wäre schön, wenn…“. Ist es nur eine schöne Idee, dann bleibt es eine schöne Idee! Sie werden Ihren Vorsatz nur so lange tun, als es eben „schön“ angenehm ist. Es braucht deshalb mehr: Es braucht zu allererst, vor allem anderen, eine vollkommene Überzeugung aus Ihrem tiefsten Herzen.

Was ist Ihr tiefster Herzenswunsch für das kommende Jahr? Was tragen Sie schon lange als Wunsch in Ihrem Herzen, aber haben bisher nicht gewagt, es umzusetzen? Wo haben Sie ein tiefes Gefühl von Gewissheit, dass Sie diese Veränderung wirklich an die Hand nehmen möchten? Manchmal ist uns unklar, was wir wirklich wollen. Und solange dies unklar ist, ist auch eine Veränderung schwierig.

Wenn keine vor-gesetzte Person da ist, die vor-schreibt, dies oder jenes anders zu handhaben, wird es bei vielen schwierig, ihr Verhalten zu ändern. Wenn keine staatliche, religiöse oder sonstige institutionelle Autorität das Befolgen einer Regel oder eine Verhaltensänderung verlangt, wenn also kein Druck von aussen und oben da ist, wenn vielleicht keine Drohungen im Raum stehen, ändern viele ihr Verhalten nicht. Wie viele Menschen bereit sind, ihr Verhalten sofort und anhaltend aufgrund von staatlichen Vorschriften zu ändern, dh. aufgrund von verschiedenen Ängsten, auch Angst vor Strafe, Angst, nicht dazuzugehören, haben wir in den vergangenen Jahren gesehen.

Wir Menschen ändern unser Verhalten oft erst, wenn der Schaden, das Leiden oder die Angst vor Leiden schlimm genug ist, dh. unerträglich. Wollen wir wirklich, wollen auch Sie bis zum Äussersten warten?

Wenn es um unsere ganz persönliche Lebensgestaltung, um unsere Zukunft, um wichtige Veränderungen unseres Lebensweges geht, um unsere tiefsten Wünsche und Träume, helfen uns Vorgesetzte und Institutionen nicht, selten oder nur begrenzt. Denn Wünsche und Träume umzusetzen hat mit persönlichsten Entscheidungen zu tun, auch mit Trennungen, mit Abschied von Gewohntem, mit Wagnis, mit Ängsten, Unbekanntem und Neuland. Es geht also um unseren Vor-satz versus etwas vor-gesetzt zu erhalten.

Und Sie? Schliesslich möchten Sie in Ihrem Leben etwas verändern Ihnen zu Liebe, vielleicht auch Ihren Nächsten zu Liebe, nicht wegen einer Autorität, einer Vorschrift oder aus Angst vor Strafe, nicht wahr? Was brauchen Sie wirklich, damit Sie Ihren Vorsatz, Ihren Wunsch, Ihren Traum verwirklichen können?

Gewohnheiten zu ändern braucht sicher Ihren Durchhaltewillen von mehreren Wochen und Monaten. Doch auch der Wille allein genügt oft nicht, denn wie Sie wissen, kann der Wille schwach werden, gerade in entscheidenden Momenten. Wir Menschen sind sehr komplexe Wesen. Wir funktionieren mehrheitlich durch unser Unterbewusstes und unsere Gewohnheiten, und viel weniger über unseren Verstand und Willen, als wir es oft meinen.

Eine entscheidende Hilfe bei der Umsetzung von Vorsätzen und Wünschen ist, jemanden zur Seite zu haben, der Sie darin unterstützt und dem Sie regelmässig erzählen, wie und wo Sie auf dem Weg zu Ihrem Ziel sind. Sie halten zum Beispiel einmal pro Woche Rückschau mit dieser Person und erklären ehrlich, was geklappt hat und was nicht. Manchmal hilft und genügt eine Freundin, ein Partner, ein Kollege. Manchmal auch nicht, aus unterschiedlichsten Gründen. Gerade wenn es um tiefergreifende Veränderungen geht, können Freunde und Partner überfordert sein. Sie kennen vielleicht die Herausforderungen dieses Weges zu wenig, um Sie kompetent unterstützen zu können.

Je wichtiger Ihr Vorsatz, Ihr Wunsch, Ihr Traum für Ihr Leben ist, umso wichtiger kann es sein, sich dazu professionelle Unterstützung zu holen, für eine, zwei oder mehrere Sitzungen. Damit Sie sicher an Ihr Ziel gelangen!

Lassen Sie Ihre Vorsätze, Wünsche, Träume im neuen Jahr wahr werden! Suchen Sie sich eine Vertrauensperson, die Sie an Ihrer Seite unterstützt. Lassen Sie Ihre Träume Ihre wichtigsten VOR-sätze sein!

Herzlichst,

Ihre Barbara Hindenes, im Dezember 2022

Kennst du Frieden?

Die tiefere Sehnsucht                                                                                                                           November 2022

Ist Friede, solange der Kampf nicht über unserem eigenen Hausdach, vor unserer eigenen Haustüre stattfindet?

Ist Friede, wenn wir Kriege, die mehr oder weniger weit weg sind, ignorieren?

Ist Friede, wenn wir uns Krieg im Bildrahmen eines Fernsehers oder eines digitalen Gerätes anschauen?

Ist Friede, wenn wir einen täglichen Kick „Liveticker“ konsumieren?

Ist Friede, solange Macht-, Geld- und Kriegslüsterne das Weltgeschehen mit Propaganda, Sabotage und Terror bestimmen, die Bevölkerung belügen und manipulieren?

 

Ist Friede, wenn wir denken, dass Krieg nur „die anderen“ betrifft?

Ist Friede, wenn wir sicher sind, zu den Privilegierten zu gehören?

Ist Friede, wenn wir glauben, auf der richtigen Seite zu stehen?

Ist Friede, wenn wir meinen, es werde „nur ein Zurück zum Kalten Krieg“ geben?

Ist wirklich Friede, wenn wir den Hass gegen ein Volk, eine Rasse, eine Religion, eine Klasse, irgendeine Menschengruppe, „die Anderen“, „die Feinde“, „die Bösen“ mitmachen?

 

Ist Friede, wenn friedliebende Menschen in Konflikte hineingezogen werden?

Ist Friede, wenn friedliebende Menschen ihrer Meinungsfreiheit,

ihrer Menschen- und Bürgerrechte und ihrer Privatsphäre beraubt werden?

Ist Friede, wenn friedliebende Menschen die Ignoranz, die Täuschungsmanöver und die Gewalt von Mächtigen offenlegen und deshalb zum Schweigen gebracht werden?

Ist wirklich Friede, wenn friedliebende Menschen zu Feinden deklariert und zu Ausgestossenen gemacht werden?

Ist Friede, wenn friedliebende Menschen getötet werden?

 

Friede ist mehr als die Abwesenheit von Krieg.

Friede ist anders als die Pause zwischen zwei Kriegen.

Friede ist unvereinbar mit jeder alten und neuen Kriegsform, die den Feind mit oder ohne Einsatz einer Armee und einer Kriegserklärung zu vernichten sucht.

Friede ist kein besserer Krieg.

Wann gab es Frieden auf Erden, sag mir, wann?

Friede ist, was neu wird. Vollkommen neu.

Der Friede, der höher ist als alle Vernunft und tiefer als alles Verstehen.

Friede ist der andere Weg.

Ein Weg jenseits von Unwissenheit, Macht und Ohnmacht.

Krieg ist Täuschung.

Krieg ist die Illusion von Kontrolle über Zeit und Raum,

Materie und Menschen.  

Krieg ist Versuchung.

Krieg hat Besitzer.

 

Friede ist ewig, wahr.

Friede ist, was kommt.

Friede ist unverfügbar.

Friede ist immer möglich: jetzt.

Friede ist sowohl Geschenk wie Aufgabe.

Immer wieder neu: Aufgabe.

Friede braucht Stille.

Friede braucht Bewusstsein.

Friede braucht unsere Freude,

unsere Talente,

unsere Kreativität.

Friede braucht unsere Sehnsucht.

Sehnsucht ist auch Erinnerung.

Friede wird mit unserer tiefen Sehnsucht nach wahrem, wirklichem Frieden kommen.

Sehnst du dich nach Frieden?

 

Friede, du weisst es, gibt es nur „mit-ein-ander“. Mit einem Anderen.

In der Sehnsucht nach Frieden liegt die noch tiefere Sehnsucht, den anderen zu hören.

Wirklich zu hören, was sie zu sagen hat, wer sie ist, woher sie kommt, wohin sie geht.

Erinnere dich: „Audiatur et altera pars“: höre auch die andere Seite.

Das ganz Andere hören. Das Andere, das mir nicht zugänglich gewesen war, dem ich mich verschlossen hatte, das mir fremd war.

Dem mir Fremden zuhören können, ohne es abzulehnen.

Offen gegenüber dem Neuen sein.

Höre dem anderen so zu wie du selber gehört werden möchtest.

 

Wer hört zu? Sag mir, wer?

Im Kriegshetz, im Aufpeitschen der Massen gegen einen Feind, hören der Machtgierige, der Kriegstreiber, der Hassende und die ihm folgenden Menschen nur sich selbst.

Es fehlt Stille, es fehlt Friede. Und sie zerstören.

Es gibt kein Hören mehr.

Schon lange nicht mehr.

 

Hörst du zu?

In Zu-Gewandtheit zu-hören, im „zum-anderen-gerichtet-sein“ zu-hören?

Wirklich zuhören. Ernst nehmen.

Echt. Offen. Wahr.

Offen, das Gehörte mich angehen zu lassen.

Ein Anfang.

Doch hüte dich vor vorgetäuschtem Verständnis mit gelernten Floskeln, um deine Ungestörtheit oder Kontrolle zu behalten.

Oder zum Selbstzweck: um dich beliebt zu machen.

Zuhören ist sanft und leise.

Friede ist sanft und leise.

Eine neue Schwingung.

Ein Hauch eines frischen Windes.

Jedes Mal neu.

Wahre Freude braucht Frieden.

Erinnerst du dich an Frieden?

 

Alles wurde zum Thema „Krieg und Frieden“ bereits gesagt:

in allen Sprachen auf Erden, in allen Erdteilen, in allen Kulturen.

Viele sagten und sagen es.

Alles wurde bereits über den Frieden geschrieben, vorgeschlagen, umgesetzt: in allen Völkern, allen Rassen, allen Religionen, allen Klassen, allen Menschengruppen, zu allen Zeiten und an allen Orten.

Das Wissen und die Weisheit sind da.

Waren schon immer da.

Erinnerst du dich?

Und doch ist Krieg.

Wer kennt Frieden?

Im Krieg kann uns das Gefühl für Frieden abhanden kommen. Manchmal hilft es mir, in die Stille einzutauchen. Oder mich an das zu erinnern, was ich in einem anderen Moment gefühlt, gewusst und gelebt habe. Oder ich erinnere mich an das, was ich von anderen Menschen gelernt habe. Ich lese einen Text über Frieden. Oder ich schreibe einen. Und ich wünsche jemandem Frieden.

Wenn du dich erinnerst, dann sag es bitte weiter.

Und wenn du magst, dann höre anderen Menschen zu, und frage sie,

ob sie sich an Frieden erinnern.

veröffentlicht am 29. November 2022 im Online-Magazin „Rubikon“, unter dem Titel: „Gerupfte Tauben“

https://www.rubikon.news/artikel/gerupfte-tauben